Born im Interview: “Es ist kein Cent an mich geflossen”
05.11.10 | von Kiki | Kategorie: Interviews | 5 Kommentare
Jürgen L. Born, ein Foto aus dem Jahre 2007, als er noch Vorsitzender der Geschäftsführung bei Werder Bremen war ©werderfotos.de
Jürgen L. Born wurde vor etwas mehr als 70 Jahren in Berlin geboren. Berlin? Ja, denn der Umstand, dass sein Vater für ein paar Monate beruflich in Berlin tätig war brachten ihm zu diesen „Makel“ im Lebenslauf. In Bremen aufgewachsen zog es ihn für über 30 Jahre nach Südamerika. Hanseatisches Handelsgeschick ist immer geblieben, lebenslang Grün-Weiß ist er sowieso. Vor 1 ½ Jahren sollte seinem Lebenslauf noch ein anderer Makel hinzugefügt werden, was aber aus der Welt geräumt werden konnte. Geblieben ist nur der Fakt des Rücktritts. Gekommen ist die Zeit, darüber zu reden. Gibt es einen neuen Stand der Nachprüfungen? Wie sieht er die aktuelle Entwicklung Werders? Welchen Aufgaben widmet er sich aktuell? Welcher ehemalige Nachbar sollte unbedingt zu Werder und wie oft hupt man auf dem Weg nach Hamburg?
Worum.org: Herr Born, vor kurzem wurden Sie 70 Jahre alt, Glückwunsch noch nachträglich. Hat Willi Lemke Ihnen gratuliert?
Jürgen L. Born: Nein. Es haben nur geschätzte Freunde gratuliert. Das waren sehr viele, auch wenn ich am Tage meines Geburtstages in Katar war. Am Tage darauf schenkte mir die Mannschaft dann einen Sieg gegen den HSV – was gibt es Schöneres?
Beschäftigt Sie die Peru-Geschichte heutzutage noch, Sie wurden ja vom Aufsichtratsvorsitzenden nicht gerade zuvorkommend behandelt?
Mich nicht direkt. Aber in Peru laufen noch Prozesse gegen Frau Farè, zu denen ich jedoch keine Stellungnahme vorwegnehmen möchte.
Seit kurzer Zeit verfüge ich über eine Kopie der Endfassung der Price-Waterhouse-Studie und verstehe nun, warum Werder mir die nicht geben wollte. Sowohl mein juristischer Beistand als auch einige Sponsoren, Fans und Freunde empfehlen mir eine Auswertung sowie eine Offenlegung. Eine von Uruguay ausgehende Gegenstudie liegt ebenfalls vor und resümiert eindeutig, dass nicht ein Cent an mich geflossen ist. Während Herr Lemke seinen Drang zur Öffentlichkeitsdarstellung mit nicht unterschriebenen, schlecht kopierten, teils gefälschten, nicht schlüssigen, darüber hinaus gestohlenen und der Erpressung dienenden Papieren inszenierte, hatten die Uruguayer bedingt bessere Prüfungsmöglichkeiten.
Übrigens: Wer zehn Jahre ehrenamtlich meine Position ausführt, verzichtet im Bundesligaschnitt insgesamt auf rund drei Millionen Euro Gehalt und muss sich mit Geldern im Gegenwert von rd. 32.000,- nicht die Finger beschmutzen.
Man kriegt auch heute noch oft zu lesen, dass Sie “rausgedrängt” wurden. War Ihr Rückzug damals wirklich freiwillig oder wurde da doch Druck aufgebaut?
Mit Schreiben vom 22.01.2009 hatte ich gekündigt. Das Theater im März/April war danach der Versuch einer gezielten Rufschädigung und in der Funktion als Aufsichtsrat unprofessionell. Aber ich weiß, man hat auf dieser Welt nicht nur Freunde, und gelegentlich verformt der Neid den Menschen.
Unabhängig von der ganzen Geschichte: Ihre Beziehung zu Carlos Delgado und Claudio Pizarro geht über das Geschäftliche weit hinaus. Treffen Sie sich öfter, gerade mit Carlos Delgado und sprechen über einige Spieler? Es sind ja öfter mal Schützlinge von ihm im Probetraining bei Werder zu finden.
Wir treffen uns oft und ich teile meinem Freund Delgado auch meine Marktbeobachtungen speziell in Argentinien, Uruguay und Paraguay mit – in 10 Tagen besuche ich diese Länder wieder und sehe dann auch meine Söhne, die in Paraguay geboren, in Uruguay zur Schule gegangen sind und in Argentinien studieren bzw. dort arbeiten und sich somit auch auf diesen Märkten gut auskennen. Carlos Delgado hat mich grade am letzten Wochenende besucht.
Wie groß war Ihr Anteil am Transfer von Wesley?
Außer einer freundlichen Begrüßung auf Portugiesisch war nichts.
Kam Werder bei Amtsantritt eigentlich auf Sie zu und fragte, ob Sie vor Ort nach dem rechten sehen?
Nachdem Herr Lemke nach dem Fortgang von Otto Rehagel von 1995 bis 1999 nur untere Tabellenplätze vermelden konnte, traten bekanntlich alle Verantwortlichen bei Werder zurück. Ich wurde in Südamerika angerufen und gefragt, ob ich einen Neuanfang mittragen würde, was ich bejahte und auch ab 01.07.1999 unentgeltlich tat.
Man sah Sie beim Trainingslager auf Norderney. Wie ist Ihr derzeitiger Mitarbeiterstatus bei Werder?
Zu den Meisten habe ich immer noch ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Etwas arrogant kann ich sagen: Die Beliebtheit ist geblieben.
Anhand des Wesley Transfers sieht man, wie sich so eine Geschichte teilweise über Monate hinziehen kann. Ist man dort dann die ganze Zeit vor Ort oder wird das größtenteils nur noch über Mittelsmänner erledigt?
Wesley ist ein Traumtransfer. Aber jeder Transfer läuft generell anders.
Sie sind sowieso als Südamerika Experte bekannt. Können Sie uns einen kleinen Insidereinblick in den dortigen Transfermarkt geben? Anekdoten, Enttäuschungen, etc.?
Südamerika ist ein sympathischer und interessanter Erdteil. Die Menschen haben eine zu uns abweichende Mentalität. Wenn man die ins Kalkül nimmt, ist das Leben wunderschön. Beim Abschluss von Geschäften muss man im höchsten Grade aufmerksam sein. Ist man das, so wird das vom Vertragspartner honoriert.
Gibt es einen Spieler, den Sie mal unbedingt bei Werder unterbringen wollten, dies aus diversen Gründen nicht klappte und der nun woanders groß raus gekommen ist?
Diego Forlàn war mein Nachbar in Montevideo und sein Vater Pablo, der ebenfalls 70 Mal für Uruguay auflief, spielte mit mir fast fünf Jahre in einer Mannschaft. Es war immer unser Wunsch, dass Diego eines Tages für Werder spielt; aber das haben wir aus finanziellen Gründen nicht geschafft.
Sie arbeiten noch immer ehrenamtlich als Honorarkonsul von Uruguay in Bremen. Haben Sie überhaupt vor, jemals in Rente zu gehen?
Ich bin gut altersversorgt, mache aber noch viele Dinge – und zwar alle ehrenamtlich. Dazu gehört z.B. das Konsulat, die Wilhelm-Kaisen-Bürgerhilfe, die Kulturstiftung des DFB oder auch mein Engagement für die Bekleidungsversorgung Minderbemittelter in Uruguay und Paraguay sowie einiges mehr.
Sie haben von Werder zum Abschied eine lebenslange VIP Dauerkarte bekommen. Wie oft machen Sie davon Gebrauch?
Über die habe ich mich sehr gefreut, habe aber zusätzlich noch Kaufkarten und fehle eigentlich nie.
Werder ist aus dem Pokal rausgeflogen, in der CL droht das gleiche Schicksal und in der Liga läuft man derzeit auch hinterher. Wo sehen Sie die Fehler?
Es tut mir leid, wenn ich sagen muss, dass ein Fehler darin liegt, dass wir zuviel von Werder erwarten. Andere Vereine haben bessere Möglichkeiten und liegen nicht im Winterschlaf.
Wie bewerten Sie die im Sommer getätigten Transfers?
Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist akzeptabel. Einiges wird sich noch entwickeln.
Hat Werder Ihrer Einschätzung nach die finanziellen Mittel im Winter nochmal nachzulegen?
Das hängt auch davon ab, wie es international weitergeht.
Auf welchem Tabellenplatz landet Werder am Ende der Saison?
Platz drei hat uns oft viel Freude gebracht, den sollten wir zumindest wieder anstreben.
Auch wenn Sie es wahrscheinlich gar nicht wissen hatten wir beide schon zwei ‘skurrile’ Begegnungen. Die eine erfolgte nach einem Auswärtsspiel in Hannover, ich war im alten Golf auf dem Weg nach Bremen und hatte eine Fahne am Auto hängen. Als Sie mich überholten hupten Sie. Haben Sie so etwas öfter gemacht, wenn Sie Bremer Fans gesehen haben?
Es gab Reisen z.B. nach Hamburg. Da habe ich die Hupe gar nicht losgelassen – so viele Bremer waren unterwegs.
Die andere Begegnung war im Beisein Ailtons. Jetzt, nach seiner Verpflichtung von Oberneuland sah man Sie beide auch wieder lachend auf einem Foto. Haben Sie regelmäßigen Kontakt?
Er meldet sich oft und ist ein feiner Kerl. Ich hätte mich damals mehr um ihn kümmern sollen.
Leverkusen hat Bayer, Wolfsburg hat VW, Schalke Gazprom – kann sich Werder, das sich hauptsächlich aus sportlichen Erfolgen finanziert, trotzdem dauerhaft positionieren oder wird das mit steigender Attraktivität der Bundesliga und zwangsläufig steigenden Kosten für Spieler und Gehälter auf Dauer kaum möglich sein?
Werder muss tatsächlich immer volle 100% aus sich herauskitzeln. Das hat schon ein bisschen mit dem berühmten Tanz auf der Rasierklinge zu tun. Diese Herausforderung muss man annehmen. Mit großen finanziellen Hinterlassenschaften kann Werder leider nicht rechnen.
Sehen Sie diese Entwicklung kritisch?
Durchaus.
Muss Werder auf Dauer versuchen neue Vermarktungswege einzuschlagen? Verkauf des Stadionnamens, etc.?
Werder kann nur organisch wachsen, d.h., dass in allen Einnahmesegmenten versucht werden muss schrittweise Steigerungen zu erwirken.
Ihr persönlicher Tipp für Sonntag?
Ich hab in den letzten Monaten aber auch alles falsch getippt. Nun müsste ich aus Zweckpessimismus einmal gegen Werder tippen das lässt mein Herz aber nicht zu. Deswegen warte ich einmal das Ergebniss ab.
Herr Born, vielen Dank für dieses Interview und alles Gute weiterhin.
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Geht wieder
Danke Papa Born!
…und Dank an Kiki für das schöne Interview.
Klasse Interview, Kiki. Danke und weiter so!