Interview: Kiwi auf die Schnelle

06.12.09 | von | Kategorie: Interviews | Keine Kommentare
Kiwi Rufer (c) wikipedia/Magnus Manske (Lizenz: http://bit.ly/ADJYoY)

Kiwi Rufer (c) wikipedia/Magnus Manske (Lizenz: http://bit.ly/ADJYoY)

Wer Werderfan ist, der denkt automatisch bei der Nennung von Norwegen an Rune Bratseth, bei Österreich an Andi Herzog und bei Neuseeland an Wynton “Kiwi” Rufer. Und Neuseeland wurde zuletzt oft in den Medien erwähnt. Zwischen dem Tage der zweiten WM-Qualifikation in der Geschichte des neuseeländischen Fußballs und der WM-Auslosung war Rufer nicht nur im deutschsprachigen Raum ein gefragter Interviewpartner. Für das Worum nahm er sich kurz Zeit und stand Rede und Antwort.

Ozeaniens “Fußballer des Jahrhunderts” (nicht des Jahres, es ist wirklich des Jahrhunderts) spielte sechs Jahre erfolgreich bei Werder Bremen. Er wurde DFB-Pokalsieger, deutscher Meister und gewann mit dem Team den Europapokal der Pokalsieger. Und nicht nur das: er war nicht nur beteiligt, sondern oftmals ausschlaggebend für den Erfolg. Legendär sind seine Elfmeter, bei denen er die Torhüter ausguckte und den Ball grundsätzlich in die Ecke schoss, in welche sein Gegenüber nicht sprang.

1995 verließ er den SV Werder und wechselte zu JEF United nach Japan, kam jedoch ein Jahr später für eine Spielzeit wieder zurück nach Deutschland. Sein Freund Otto Rehhagel hatte gerufen und baute auf Kiwis Fähigkeiten um 1997 den Aufstieg mit dem 1.FC Kaiserslautern zu bewerkstelligen. Ein Unterfangen, das gelang. Rufer verabschiedete sich dann endgültig aus Deutschland, zog zurück nach Neuseeland und lebt heute in Auckland, wo er eine eigene Fußballschule (WYNRS) betreibt. Allerdings lebt derzeit nicht die gesamte Familie in Neuseeland. Sohn Caleb, 1991 in Bremen geboren und ehemals bei Werder aktiv, spielt diese Saison beim SV Wehen-Wiesbaden.

Nicht der einzige Grund, Deutschland immer wieder zu besuchen: seit Februar ist Kiwi Schirmherr des Werder-Projekts “100% Werder WorldWide”. Leider wird der nächste Tripp nach Deutschland wohl erst im Jahre 2010 stattfinden, umso schöner allerdings, dass sich der mittlerweile 46jährige Neuseeländer trotzdem Zeit nahm, dem Worum wenigstens in aller Schnelle zur Verfügung zu stehen. Trotz leider eingeschränkter zeitlicher Möglichkeiten klingt im Interview der “typische Kiwi” immer und immer wieder durch.

Worum.org: Neuseeland wird nächstes Jahr nach 28 Jahren wieder an einer Weltmeisterschaft teilnehmen. Feiert ihr immer noch?

Wynton Rufer: Ja!

Blieb es bei einer Erwähnung im Sportteil der Gazetten?

Nein, das ganze Land feierte. Die Medien haben sich wie ein Tsunami auf uns gestürzt!

Planst Du, bei der WM in Südafrika vor Ort zu sein und gibt es die Möglichkeit, dass Du während der WM als Experte für das deutsche Fernsehen arbeiten könntest?

Ich war zumindest bei den letzten zwei Weltmeisterschaften dabei.

Was ist für die Mannschaft bei der WM möglich? Der erste WM-Punkt, erster Sieg, sogar die K.O.-Runde?

Der erste Punkt!

Eine kleine Anekdote vom Qualifikationsspiel gegen den Bahrain am 14.11.2009, das Neuseeland mit 1:0 gewann und sich somit das WM-Ticket sicherte: die neuseeländischen Nationalspieler der einzigen WM-Teilnahme (im Jahre 1982) wurden vor dem Spiel von den 35.134 Zuschauern im Westpac Stadion (in Rufers Geburtsstadt Wellington) gefeiert. Rufer wollte am Liebsten beim folgenden Spiel mitmachen, so sehr kam die Lust auf den aktiven Fußball zurück. Angestachelt von der guten Atmosphäre schnappte sich Kiwi das Mikrofon, stimmte Schlachtrufe sowie Lieder an und machte mit den Fans mehr als einmal die LaOla-Welle. Nicht zu jedermanns Freude: “Mein Sohn Joshua wurde am nächsten Tag in der Schule gefragt, ob ich vor dem Spiel besoffen war.”

Wer ist Dein Favorit für das Turnier, was traust Du Deutschland zu?

Meine Favoriten auf den Titel sind Brasilien, Spanien, Deutschland und die Elfenbeinküste.

Du bist nah dran an den Nachwuchsleuten: gibt es denn in nicht allzu ferner Zukunft ein Talent, dass auch klar das Potential hat, bei den großen Teams in Europa zu spielen?

Da nenne ich Chris Wood (17), einen ehemaligen WYNRS-Spieler. Chris ist jetzt Stammspieler bei West Bromwich Albion in England (Championship, zweithöchste Liga)

Wie sieht es bei Deinem Sohn Caleb aus, wie macht er sich beim SV Wehen?

Es ist nicht leicht für ihn, aber hoffentlich bekommt er einen neuen Vertrag für 2010/2011.

Spielt Joshua ebenfalls Fußball?

Ja, er spielt auch Fußball. Er ist aber nicht so talentiert wie sein Bruder.

Fehlt dem neuseeländischen Fußball ein wirklicher Star in der heimischen Liga, ein Weltstar bei einem europäischen Topklub?

Ryan Nelsen ist unser Star, er spielt bei den Blackburn Rovers in England.

Die meiste Zeit hast Du ja wie Ryan Nelsen im Ausland gespielt. Wie ist eigentlich Dein Bekanntheitsstatus in der Heimat?

Ich bin eher mittelmäßig bekannt.

Gab es für Dich eigentlich jemals Überlegungen, für die Schweiz anstatt Neuseeland zu spielen?

Das war für mich damals nicht möglich.

Mit dem einen oder anderen Funktionär Deines Heimatverbandes standest Du auf Kriegsfuß. Hat sich die Situation mittlerweile geändert?

Nein, nicht wirklich…

Du warst eine Zeit lang als Trainer bzw. Spielertrainer in Neuseeland tätig. Warum hast Du diesen Karriereweg wieder verlassen?

… eines Tages werde ich wieder Trainer sein.

Schon 1997 hast Du WYNRS gegründet. Stand für Dich schon länger fest, dass Du nach Rückkehr in die Heimat mal ein solches Projekt starten würdest?

Meinen Traum dazu hatte ich seit Januar 1996.

Anders als in vielen Fußballschulen spielt in Deiner Schule die Charakterentwicklung eine große Rolle. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Ich bin gläubiger Christ, da gehört es für mich natürlich dazu.

Du hast immer wieder deutsche Mitarbeiter bei WYNRS. Erhalt eines Stück Deutschlands oder einfach nur Zufall?

Deutschland ist für mich meine zweite Heimat.

Gibt es in Deinen eigenen vier Wänden eigentlich noch Erinnerungen an die Zeit in Bremen oder allgemein an Deutschland?

…komm’ ins WYNRS-Büro nach Auckland und finde es heraus.

Bist Du immer noch Kicker-Abonnent und informierst Dich regelmäßig über Werder und den deutschen Fußball?

Kicker-Abonnent bin ich nicht mehr, dafür informiert zum Glück das Internet einwandfrei.

Gibt es mittlerweile eine Möglichkeit, auch bewegte Bilder im Fernsehen oder via Internet-TV vom deutschen Fußball in Neuseeland zu empfangen?

Das typischer Rufer-Autogramm mit Fisch auf Werder-Trikot der Saison 1994/1995

Das typische Rufer-Autogramm mit "Fisch-Endung" auf einem Werder-Trikot der Saison 1994/1995

Nein, leider wird nicht viel angeboten.

 

Wie sehr ist der Ex-Werderaner Rufer mittlerweile Werder-Fan Rufer?

 

Ich werde immer Werder-Fan sein und bleiben.

Wie oft bist Du noch in Bremen?

Ein bis zweimal pro Jahr.

War es eigentlich zu Deiner aktiven Zeit in Bremen wirklich so ruhig, beschaulich, familiär und ohne Skandale oder hat Uli Hoeneß recht, wenn er sagt, dass Bremen einfach nur die Boulevardmedien fehlen, die jeden Quatsch groß in die Öffentlichkeit tragen?

Bremen ist dann doch einfach eine kleine Stadt…

Du bist Schirmherr von Werders Projekt „100% Werder Worldwide“, ein erster Gedankenaustausch fand im September statt. Gibt es schon erste Ergebnisse, geplante Aktivitäten?

In diesem Monat geht es nach Thailand. Da besuche ich dann die Beluga School for Life im Namen von Werder Worldwide.

Du hast mit Klaus Allofs und Thomas Schaaf noch zusammen gespielt. Konnte man da schon erahnen, dass beide später nicht nur als Manager bzw. Trainer arbeiten werden, sondern dies auch noch in dieser erfolgreichen Art und Weise?

Kurz und knapp: nein, konnte man wirklich nicht erahnen.

Hast Du noch Kontakt zu Deinen ehemaligen Werder-Kollegen und Landsleuten Aaron Lines und Mark Burton?

Zu Mark Burton habe ich heute noch Kontakt.

Hat Marco Bode mittlerweile verstanden, dass es eine Zeitverschiebung zwischen Bremen und Neuseeland gibt oder ruft er immer noch nachts um zwei an?

Nach 25 Jahren hat er es endlich verstanden…

Du bist als Fan des brasilianischen Fußballs bekannt. Daher besonders traurig, dass Diego nun nicht mehr in Bremen zaubert?

Bremen verliert eigentlich immer seine größten Stars. Aber das ist letztendlich zweitrangig, da sie auch dann immer einer der größten Klubs bleiben.

Gibt es bei der aktuellen Mannschaft Spieler, die Dir besonders sympathisch sind?

Vom derzeitigen Team kenne ich leider nicht wirklich viele persönlich.

Würde der Elfmeterschütze Wynton Rufer gegen den Elfmeterkiller Tim Wiese treffen?

…na, was denkst Du?

Steht das spezielle Training für Elfmeter auch auf dem Trainingsplan von WYNRS?

Nein, das nicht. Aber mein Sohn Caleb kann sie genauso schießen wie ich.

Du hast einmal gesagt, dass Du als Christ erst wirklich Ruhe erfahren hast in Deinem Leben. Hast Du von dieser Ruhe auch als Fußballer profitiert?

Ja, ganz klar.

Kann man Dich eigentlich überhaupt aus der Ruhe bringen? Wenn nicht im Sport, dann allgemein im Leben?

Das ist wirklich alles andere als einfach…

Galt vor Deiner Konversion zum Christentum „Keine Party on Kiwi“ oder wie ausgelassen hast Du damals als junger aber schon erfolgreicher Fußballprofi gelebt?

Ich war ein kleiner Partylöwe, vor allem im Bezug auf Frauen.

Ist es korrekt, dass Du damals sogar überlegt hattest, mitten in einer sportlich gut laufenden Karriere mit dem Fußball aufzuhören, bevor Du dann Christ wurdest?

Ja, das stimmt.

Gehen wir mal in die Gedankenspiele der letzten Jahre. Du wolltest mal in Europa trainieren und die Champions League gewinnen. Dann in Afrika den Fußball durch Projekte unterstützen. Zudem in Japan mal als Trainer arbeiten, hattest sogar schon Sprachunterricht. Und dich später dann in Australien, der Heimat Deiner Frau, niederlassen. Was davon steht weiterhin auf Deiner Agenda?

Alles davon… Träume sind frei.

Die Fans des 1.FC Kaiserslautern hast Du bei Deinem Abschied allesamt zu „Kaffee und Kuchen in Neuseeland“ eingeladen. Da fragt sich der grün-weiße Anhang: was bekommen die Werderfans, die bei Dir in Neuseeland vorbeischauen?

Es waren nicht nur Fans von Werder Bremen oder vom 1.FC Kaiserslautern da, auch Fans anderer Bundesliga-Klubs haben mich schon besucht.

Perfekt rausgeredet. Zum Abschluss noch vier Anekdoten und die Frage nach Deinen Erinnerungen dazu: #1 Du hast den einzigen irregulären Treffer an der ZDF-Torwand erzielt. Weißt Du noch, wie?

Ja! Ich hab den Ball auf meinem Fuß bis zur Wand balanciert und ihn dann reingelupft.

Richtig. #2 Nach einem besonderen Spiel mit Werder hast Du im Regen auf dem Spielfeld mit einem Mitspieler getanzt. Nach welchem Spiel war das?

In der Champions League, zu Hause gegen den RSC Anderlecht.

Auch richtig. #3 Wusstest Du, dass Du als einziger Gast beim NDR Sportclub erfolgreich Schleichwerbung betrieben hast?

Nein.

Du hast immer wieder erwähnt, dass Du “…natürlich die Sponsoren DBV und Puma nicht nennen wirst” und sie dadurch doch genannt. Und am Ende #4: Wie sah Deine Autogrammkarte damals aus?

König Otto und Kiwi. Die Freunde sehen sich spätestens bei der WM 2010 wieder

König Otto und Kiwi. Die langjährigen Freunde sehen sich spätestens bei der WM 2010 in Südafrika wieder. ©WYNRS

“Kiwi Rufer” stand drauf…

…und es war die einzige Autogrammkarte der Bundesliga, die eine persönliche Botschaft von Dir im aufklappbaren Innenteil hatte.

Und zum Ende eine persönliche Botschaft vom Worum und den Werder-Fans: Danke für Deine Zeit und alles Gute Dir und Deiner Familie.

 

 

Links zu Wynton “Kiwi” Rufer:

Porträt im WorumWiki & Rufer-Thread im Worum

Wynton Rufer Soccer School of Excellence “WYNRS”

Kolumnen bei 11Freunde.de